Weiße Männer, weise Frauen

Weiße Männer, weise Frauen

Die Überschrift zu dem folgenden Text wählte ich bewusst provokant, da diese ein Weltbild beinhaltet, das sich mir, in meiner Wahrnehmung, im Außen deutlich zeigt. Mit den alten weißen Männern sind all die Männer gemeint, die ein bestimmtes Muster leben, das sich in bestimmten Verhaltensweisen zeigt. Der Begriff ist als Sinnbild gewählt. Darauf aufmerksam wurde ich durch Gespräche mit Frauen, in Bezug auf meinen Text, „Sprache-lasst uns reden“ und meinem Kommentar zum Gendern darin. Ich bin mir darüber im Klaren, dass meine Annahmen hypothetisch sind. Im Idealfall könnte aus meinen Rückschlüssen ein befruchtender Austausch entstehen. Unser individuelles Weltbild steht eindeutig mit unserem individuellen Lebensweg und dem Erlebten in einem direkten Zusammenhang. Es ist somit ein Konglomerat, eine Mischung aus objektiven und subjektiven Eindrücken. Ergänzen möchte ich, dass das heutige wahrnehmbare Bild von Männern und Frauen das Ergebnis einer langen Reihe von Kulturepochen ist. Wobei jede neue Kulturepoche immer ein Stück der alten enthält, da es keine absoluten Brüche zwischen diesen gibt.

Es sei kurz erwähnt, ich bin ein alter weißer Mann, jedoch ein solcher, der weise Frauen schätzt, oder anders ausgedrückt, ich schätze die Weisheit der Frauen. Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die alten weißen Männer nicht weise sind? Natürlich nicht. Grundsätzlich ist ein Schwarzweiß-Denken ein Weg, der die vielen Nuancen, die dazwischen liegen unberücksichtigt lässt. Somit nicht zielführend sein kann im Wunsch Mann und Frau in ihrem Wesenhaften zu verstehen im Bemühen die Ursachen zu erkennen.

Um ein wenig besser zu verstehen was ich da als ein von uns Männern heute gelebtes Weltbild andeute, ist ein kleiner Blick in die Geschichte hilfreich. So wurde der erste Weltkrieg von wahrscheinlich 30 oder 40 Menschen beschlossen. Mir ist nicht bekannt, dass daran Frauen beteiligt waren. Ähnliches bezüglich katastrophaler Entscheidungen, die großes Leid über uns und Mutter Erde brachten, lässt sich dutzendfach in unserer Geschichte finden. Nun muss ich eine Brücke zu einem anderen Ereignis schlagen, das einen wesentlichen Einfluss auf unsere Entwicklung als Männer genommen hat. Es ist wahrscheinlich nur ein bedeutendes Ereignis von vielen und es sei angemerkt das ich hier nur einen Teilaspekt dieses Ereignisses herausgreife. Es geht um das Konzil von Konstantinopel im Jahre 869. Bei diesem Konzil wurde folgendes beschlossen: „Die Zwei-Seelen-Lehre von Photios, gemäß der Mensch eine höhere unsterbliche Geist-Seele und eine irdische vergängliche sein Eigen nennt, wurde mit dem Bannfluch belegt.“ (Quelle: Wikipedia)

Was bedeutet dies für unser heutiges Mannsein? Nach Rudolf Steiner (GA 194 Die Sendung Michaels, Seite 89) wurde damals der Geist per Beschluss von der Kirche abgeschafft. Statt Körper, Geist und Seele, sollte der Gläubige von nun an Glauben, der Mensch bestünde lediglich aus Körper und Seele. Nun liegt darin jedoch der Verlust von Bewusstheit. Der Bewusstheit vom Geist, allgegenwärtig, um uns herum, in uns und uns durchdringend. Wir leben heute in einer Zeit, in der dieser Geist wieder in uns bewusstwerden soll. Vereinfacht gesagt ist dies die Dreiheit nach Steiner. Rudolf Steiner beschreibt dies auch als die ICH-Werdung des Menschen, als individuelle Aufgabe dieser unserer Zeit. Dieses ist unmöglich so wie wir den Geist als nicht existent betrachten.

Was könnte nun dieser Verlust mit unserem heutigen Mannsein zu tun haben? Aus meinem eigenen Erleben ist mir etwas stark in Erinnerung geblieben. Es ist dies die mangelnde Fähigkeit mit meiner inneren Gefühlswelt, oder besser meiner Innerwelt, umzugehen. Dies änderte sich erst, als ich begann, mich meinem Geist zuzuwenden der letztendlich auch eine Hinwendung zum allgegenwärtigen Geist war. Dies beschreibt eine ICH-Werdung abseits vom Ego. Dieser Akt, der ein immer noch stattfindender Prozess ist, hat es mir ermöglicht mich der Weisheit der Frauen zu öffnen. Mit einfachen Worten würde ich sagen, das männliche und weibliche Eigenschaften sich ergänzende Energien sind. Es ist dies was allgemein als die Polarität bezeichnet wird, in der sich diese Kräfte bedingen und im Idealfall eine Waage sind. Diese Waage ins rechte Lot zu bringen, gelingt mit dem Geist.

In meiner Wahrnehmung traten an die Stelle von bewusstem Geiste die Kräfte der Selbsterhöhung und des Materialismus verbunden mit einem ausgeprägten Machtstreben, wobei diese Aufzählung noch um viele weitere Kräfte ergänzt werden kann. Diese Attribute sind gerade bei uns Männern stark ausgeprägt, besonders wahrnehmbar bei den s.g. Eliten. Damit einher geht jedoch die mangelnde Fähigkeit sich seinem inneren Wesen zu nähern oder anders ausgedrückt, die mangelnde Bewusstheit wird kompensiert über Machtstreben, Statusdenken und einer ausgeprägten Egozentrik. Was daran für unsere menschliche Gemeinschaft so schwierig ist, ist der Irrtum anzunehmen, dass dies der richtige Weg sei.

Letztendlich hat diese Entwicklung dafür gesorgt, dass die Frauen mit ihrer Weisheit klein gehalten wurden. Wir brauchen nur einen kleinen Blick in die Geschichte zu werfen, Hexenverbrennungen oder viele Gesetze, die erst in den letzten Jahrzehnten geändert wurden. Hier sei nur der Aspekt der freien Entscheidung einen Beruf auszuüben, ohne Einwilligung des Ehemannes, erwähnt. Ich möchte noch auf den Begriff des „gendern“ eingehen den ich am Anfang dieses Textes erwähnte. Hierzu die Definition bei Wikipedia:

„Gendern oder Gendering ist eine eingedeutschte Wortbildung aus dem englischen Sprachraum und bezeichnet im allgemeinen Sinne die Berücksichtigung oder Analyse des Geschlechter-Aspekts in Bezug auf eine Grundgesamtheit von Personen oder Daten, etwa in Wissenschaft, Statistik und Lehre.“

Betrachte ich mit dieser Definition die Art der Wortschöpfung die uns bezüglich des gendern in unserem Sprachraum begegnet, entstehen bei mir viele Fragen ob deren Sinnhaftigkeit. Eine Freundin sagte mir in einem Gespräch über gendern folgendes: „Ich bin nicht: „..innen“, ich bin eine Frau. Es wäre eine noch zu überprüfende These ob gendern möglicherweise nicht auch von Männern ins Leben gerufen wurde. Neben anderen Aspekten unserer s.g. Moderne ist das Gendern, so wie es verwendet wird, ein zusätzlicher Baustein im großen Verwirrspiel unserer Zeit. Dennoch hat auch das Gendern sinnvolle Inhalte bezüglich der Thematisierung von gelebter Gleichberechtigung.

Dieser Text hat insofern eine gewisse Diskrepanz da ich hier Themen nur leicht berühren kann die Dutzende von Büchern gefüllt haben. Insofern möchte ich abschließend einen einfachen Gedanken als Möglichkeit anfügen.

Wenn Männer und Frauen sich auf Augenhöhe begegnen, einem Waagebalken gleich, dann kann ich mir sehr gut vorstellen, dass in unserer immer noch männlich dominierten Gesellschaft der Geist lebendig wird. Dann können die s.g. weiblichen und männlichen Attribute sich ergänzen und einen lebendigen Geist entstehen lassen So dies frei, ohne egozentrische, Macht ausüben wollende, auf Status achtende Intention seitens uns Männern geschieht. Dies wäre eine Möglichkeit wie wir weißen alten Männer die Weisheit der Frauen schätzen, respektieren und achten lernen könnten. Und ihr lieben Männer, es tut gar nicht weh. Im Gegenteil, auf diesem Weg liegt Freude und Selbsterkenntnis.

Meister Federleicht